»Ratlosigkeit. Ich krame in der Schublade.
Der Briefwechsel mit meinem Zwilling, von uns ordentlichen Sekretärinnen meist säuberlich mit der Maschine geschrieben, liegt zusammengeschnürt, obenauf die Fotos aus Leipzig, Warschau, Amsterdam ... Nie habe ich mich von dem Packen Papier trennen können, ihn zu vernichten hätte bedeutet, das Stück Leben zu vernichten, das mich am meisten geprägt hat – nein, nicht das Leben, sondern seine Zeugnisse. Noch immer könnte ich Sätze daraus aus dem Gedächtnis zitieren. 1943 aus einem Frontbetrieb in Warschau geschrieben: ›Man muss sich hier schämen, dass man Deutsche ist‹. Auch mein Erschrecken über diesen Satz habe ich nie vergessen.
Wieder einmal holt mich die Vergangenheit ein. Die Vergangenheit? Das alles lebt doch noch irgendwo: Intoleranz, Grausamkeit, Gleichgültigkeit, Angst. Und Hoffnung. Immer noch: Hoffnung.«
(Auszug aus dem Prolog)
Wie kann man durch nationalsozialistische Propaganda verführt werden? Wie kann man aus Erfahrenem lernen? In dem Buch von Käthe
Rülicke-Weiler liefern zwei junge Frauen aus Leipzig in ihren Briefen (ergänzt durch Tagebuchnotizen und historische Dokumente) ein
lebendiges Bild der Vergangenheit von 1943 bis 1948 und sie zeigen, was es heißt, in dieser Zeit gelebt zu haben. Kein Geringerer als Bertolt Brecht ermunterte seine Mitarbeiterin Käthe Rülicke, dieses »Briefebuch« zu realisieren.
Aus dem Inhalt
Vorbemerkung
Prolog
I Krieg 1943–1945
Glaube und Zweifel
II Abrechnung 1945–1946
Nie wieder Glauben – nie wieder Politik
III 1946–1948
Entscheidung: Aufbau
Dokumente
Nachwort