Geleitwort zur »Geschichte der Leipziger Oper« von Dr. Frieder Schäuble:
»In staunenswerter Fülle der Details legt Fritz Hennenberg, profunder Kenner der Leipziger Musikkultur, die Geschichte eines der ältesten Musiktheaters in Deutschland dar. Anders als viele seiner Schwestern war das Leipziger Opernhaus nie Teil höfischer Vergnügungslust, verdankt seine Entstehung Ende des 17. Jahrhunderts vielmehr privater Initiative und entwickelte sich Schritt für Schritt zu einer städtischen Einrichtung, die nie dem Machtwort eines Fürsten unterlag. Das bedeutete zugleich, wie Hennenberg vielfach belegt, existenzielle Abhängigkeit von der Gesellschaft einer bürgerlichen Stadt und damit vom Publikum, jene Abhängigkeit also, mit der sich der Künstler oft so schwer tut. Kunst ist wohl nicht denkbar ohne Publikum – was wäre ein Kunstwerk, das nur sein Schöpfer kennt? Ganz gewiss aber gilt dies für das Theater.
Man kann die über dreihundertjährige Geschichte der Leipziger Oper lesen als das Auf und Ab künstlerischen Bemühens; Hennenberg hat das in vielen Facetten überaus kenntnisreich nachvollzogen und vieles trägt zum Ruhm der Messestadt bei, angefangen von Mozarts Erfolgen über die musikalische Rückkehr von Richard Wagner in seine Geburtsstadt und die Glanzzeit der Zwanziger Jahre bis zur Nachkriegszeit, in der Joachim Herz und Udo Zimmermann das Haus prägten.
Man kann die Geschichte der Leipziger Oper aber auch lesen als das Auf und Ab der Beziehungen zwischen Publikum und Opernleitung, als das immerwährende Hin und Her zwischen Kunst und Kommerz. Oper ist ein Luxus, den sich eine Gesellschaft leistet – oder nicht. Dass sie zeitgemäß sein kann, hat sie bewiesen, nicht immer gleich zur Freude ihres eher konservativen Publikums. Das führt bei einem städtischen Haus schnell zu einem Schreiben des Oberbürgermeisters mit der Aufforderung, bei der Spielplangestaltung den Wünschen des Publikums mehr Rechnung zu tragen. So geschehen im Jahre 1914 – und Wiederholungen lassen sich vorhersagen. Dass dennoch das Wagnis Oper tagtäglich neu unternommen wird, zeugt von einer Lebenskraft, die man im Zeitalter von Fernsehen und Events bewundern muss.
Dies alles – und vieles, vieles mehr – hat Fritz Hennenberg in seinem opulenten Werk durch die Jahrhunderte bis in die jüngste Gegenwart überaus lesenswert nachgezeichnet und damit der Leipziger Oper, aber auch der Kunstgattung Oper höchst verdienstvoll ein beachtliches Denkmal gesetzt.«
Fritz Hennenberg hat in Leipzig studiert und promoviert und war Lehrbeauftragter an der Theaterhochschule. Von 1964 bis 1979 wirkte er als Konzertredakteur des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig, zeitweilig auch als Chefdramaturg des Gewandhausorchesters. In zahlreichen Studien hat er Lokalgeschichte dokumentiert: Monographie über das Gewandhausorchester (1961/1992), Studien zur Methodologie und Konzeption der Leipziger Musikgeschichte (1991), Hermann Scherchen und Leipzig (1997). Von 1990 bis 1997 war er bei Udo Zimmermann Chefdramaturg an der Oper Leipzig. 1993 erschien seine Leipziger Operngeschichte und 1995 eine Dokumentation über die Mozart-Inszenierungen von John Dew.
»Die Geschichte der Leipziger Oper ist eher eine Geschichte der Oper in Leipzig. Denn der Institutionalisierung des Musiktheaters gingen lange Phasen der Privatinitiativen, der freien Trägerschaften voran. Und der heute allzu oft die Debatte bestimmende Streit ums Geld, er ist in der Kaufmanns-Stadt Leipzig, deren Bürger sich immer selbst zu kümmern hatten um deren kulturellen Mehrwert ihres Gemeinwesens, so alt wie die Kultur selbst. Gleiches gilt für den selbstbewussten Anspruch, auch im Wettbewerb der Residenz-Städte ganz vorn dabei zu sein. Und zwischen beiden Polen ist es noch heute frei schwingend aufgehängt, das Musiktheater in Leipzig. Hennenberg gelingt das Kunststück, diese so lange wie reiche Geschichte des Scheiterns und des Himmelsturms zu einem lesbaren, unterhaltsamen und ungeheuer kenntnisreich verdichteten Ganzen zusammenzufügen. Ein bemerkenswert detailliertes Vorstellungsregister und zahlreiche Abbildungen vervollständigen die Darstellung und ermöglichen es, aktuelle Debatten einzuordnen in einen großen historischen Zusammenhang. Denn hier wirkten Große und Größte, hier schuf Albert Lortzing sein Menschentheater, hier dam der erste Wagner-Ring außerhalb Bayreuths auf die Bühne, stand Mahler am Pult, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Moderne befördert, hier fokussierte sich immer wieder die Musikhistorie. So ist die Geschichte der Oper Leipzig in groben Zügen auch eine Geschichte der Oper. Und komprimierter und sinnlicher als aus der Feder Hennenbergs ist die derzeit nicht zu haben.«
Rezensionen
Ralf Julke in der »Leipziger Internetzeitung« vom 08.04.2010
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